Kooperationen im Maschinenbau werden in diesem Beitrag als eine Zusammenarbeit von mehreren Unternehmen verstanden, die aus mindestens einem Maschinenbauunternehmen besteht und über eine klassische Kunden-Lieferantenbeziehung hinausgeht. Es ist eine Art Interessensgemeinschaft, um gemeinsam mehr Umsatz oder geringere Kosten zu erreichen.
Ideen und Tipps für erfolgreiche Partnerschaften
Im europäischen Maschinenbau sind Kooperationen zwischen Unternehmen üblich. Viele Ländervertretungen gehören nicht zu einem Hersteller. Sie haben jedoch einen oder mehrere Hersteller als Partner, deren Produkte sie vertreiben und reparieren. Jahrzehnte-alte Kooperationen existieren zwischen Herstellern von Komponenten komplexer Produktionsanlagen und -systemen. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit der Hersteller von Offset- oder Digitaldruckmaschinen mit den Herstellern von Weiterverarbeitungssystemen, die den gedruckten Bogen falzen, schneiden und heften.
Kooperationen bieten große Chancen, den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Der Fachkräftemangel bei Herstellern und Kunden gefährdet eine nachhaltige Geschäftsentwicklung in den nächsten Jahren. Die Energiewende ist in einigen Branchen eine Mammutaufgabe, die kurz- und mittelfristig gelöst werden muss. Die unsichere weltpolitische Lage erfordert an vielen Stellen ein schnelles Umdenken. So sollte man seine Logistikkette nicht allein von chinesischen Partnern abhängig machen.
Dieser Beitrag gibt einen Überblick, welche Arten von Kooperationen möglich sind und lieferte viele Praxisbeispiele für eine Zusammenarbeit, die über die klassische Kunden-Lieferantenbeziehung hinausgehen. Er richtet sich an Führungskräfte und die Unternehmensleitung.
Welche Arten der Zusammenarbeit gibt es?
Professorin Theresia Theurl und ihr damailiger Mitarbeiter Konstantin Kolloge haben in ihrem lesenswerten Arbeitspapier „Internationale Unternehmenskooperationen im deutschen Maschinenbau: Eine empirische Analyse“ aus dem Jahr 2009 die Partnerschaften anhand verschiedener Unterscheidungskriterien gut charakterisiert, wie ihre folgende Abbildung verdeutlicht:
Die Fachliteratur spricht von „horizontalen“ und „vertikalen“ Partnerschaften als „Kooperationsrichtungen“, die sich an Beziehungen in Lieferketten („Supply Chains“) orientieren. Bei vertikalen Partnerschaften handelt es sich um klassische Kunden-Lieferanten-Beziehungen für komplexe Aggregate oder Systeme, bei denen der Lieferant ggf. auch selbst entwickelt.
Ideen für neue Kooperationen um Kosten zu senken
Im Folgenden werden zwei Beispiele für mögliche Partnerschaften vorgestellt, deren Ziel es ist, Kosten zu senken bzw. gering zu halten. Beide Beispiele kommen aus dem Bereich Rekrutierung von Fachkräften. Auch wenn man ohne genügend Fachkräfte den Umsatz nicht steigern kann, werden die hier vorgestellten Kooperationen eher der Minimierung von Kosten zugerechnet.
1. Gemeinsam Auszubildende und Fachkräfte in einem anderen Land rekrutieren
Bei den Kooperationsbereichen fehlt in Abbildung 1 von T. Theurl und K. Kolloge das „Personalwesen mit der Aus- und Weiterbildung“. Die Rekrutierung von Fachkräften und Auszubildenden für die verschiedenen Industrieländer kann auch durch Partnerschaften mit Unternehmen und Bildungseinrichtungen (z.B. Berufsschulen) im In- und Ausland angegangen werden. Viele Unternehmen suchen gleiche oder ähnliche Qualifikationen und benötigen Mitarbeiter mit einer qualifizierten Berufsausbildung und guten deutschen Sprachkenntnissen. Gemeinsame Ausbildungs- bzw. Weiterbildungseinrichtungen in Schwellenländern sind eine gute Chance dafür. Folgende Partner sind denkbar:
- ein auf das ausgewählte Land spezialisierter Personalvermittler, der bei der Rekrutierung von Fachkräften und Auszubildenden unterstützt,
- idealerweise die eigene Niederlassung oder der Vertriebspartner des Maschinenbauunternehmens mit Räumlichkeiten und der Möglichkeit die Rekrutierung und Ausbildung in Deutsch zu organisieren,
- einer Ausbildungseinrichtung mit Räumlichkeiten und Fähigkeiten, Deutsch zu vermitteln.
Ggf. kann die deutsche Außenhandelskammer helfen, einen lokalen Partner für die ein oder andere Aufgabe zu finden.
Neben den Partnern im Herkunftsland der Fachkräfte kann es auch Partner in Deutschland geben, die über den gleichen Weg Nachwuchs rekrutieren möchten. Dies können
- größere Kunden oder Lieferanten sein oder
- Unternehmen in der lokalen Umgebung des Maschinenbauunternehmens sein,
die Fachkräfte oder Auszubildende mit ähnlichen Skills bzw. Fähigkeiten benötigen. Gerade wenn man lokal bei der Unterkunft und Betreuung der ausländischen Fachkräfte und Auszubildenden zusammenarbeitet, wie der folgende Abschnitt erkäutert, macht das Sinn.
2. Gemeinsam Unterkünfte für junge Auszubildende oder Fachkräfte bereitstellen
Gemeinsam betriebene Unterkünfte für Wohngemeinschaften oder Wohnheime sind ein weiteres Beispiel für mögliche lokale B2B-Partnerschaften. Diese können von Auszubildenden oder jungen Fachkräften, die erstmal ohne Familie eine Übergangslösung oder als Azubi für die Dauer der Ausbildung suchen, genutzt werden. Haben Betriebe in Ihrer Region einen ähnlichen Fachkräftemangel und Bedarf, Auszubildende und junge Fachkräfte anzuwerben?
Hätten Sie auch Interesse mit solchen Angeboten Ihre Attraktivität als Arbeitgeber für junge Menschen deutschlandweit oder international deutlich zu verbessern? Unterkünfte für Auszubildende können sogar wie Studentenwohnheim gemeinnützig und somit kostengünstig für alle betrieben werden.
Vorschläge um mit Hilfe von Kooperationen den Umsatz zu steigern
3. Automatisierung der innerbetrieblichen Logistik in der Branche der Kunden
Die Automatisierung der innerbetrieblichen Logistik beim Kunden ist ein Aufgabengebiet, das von vielen Maschinenherstellern bisher oft stiefmütterlich behandelt wurde. Durch den Fachkräftemangel in vielen Ländern und die stark gestiegenen Lohnkosten ist der Druck zur Automatisierung jedoch gestiegen. Gabelstapler können bereits autonom fahren. Behälter, Paletten, Ladungen und Stellflächen müssen für fahrerlose Transporte jedoch automatisch identifiziert werden. Dazu müssen in vielen Branchen noch die Schnittstellen für die Identifikation und die Kommunikation mit dem innerbetrieblichen Transportsystem standardisiert werden, damit Behälter und Ladungen automatisch von den Maschinen übernommen bzw. übergeben werden können. Die Maschinen- und Systemhersteller für eine Branche müssen untereinander und mit entsprechenden Logistikanbietern kooperieren, um langfristig Standards und Lösungen zu entwickeln.
Neue Generationen von Maschinen, die Transportbehälter und deren Inhalte automatisch identifizieren können oder dafür nachgerüstet werden können, bieten ein höheres Vertriebspotential. Die neuen Funktionen rechtfertigen höhere Verkaufspreise, die den Umsatz steigern. Auf jeden Fall gibt es Gründe, darüber mit dem Kunden in ein Gespräch zu kommen.
4. Vertriebskooperation für zusätzliche Maschinentypen in Ihrem Kundensegment
Eine Vertriebskooperation von ähnlichen oder ergänzenden Maschinen bzw. Systemen innerhalb der Branche Ihrer Kunden ist komplex aber trotzdem interessant, da Ihre Verkäufer und Servicetechniker bereits die Kunden kennen (siehe auch die Untersuchung von T. Theurl und K. Kolloge im Anhang). Haben viele Ihrer Kunden Maschinen, die Ihr Unternehmen nicht anbietet? In einigen Branchen gibt es beispielsweise Maschinen bzw. Systeme, die zum einen auf kleine Stückzahlen spezialisiert sind aber diese zu höheren Kosten produzieren. Zum anderen gibt es Maschinen, die große Stückzahlen zu geringen Einzelkosten aber höheren Rüstkosten produzieren. Nicht jeder Hersteller liefert heute alle Arten von Maschinen – eine B2B-Partnerschaft für den Vertrieb und Service bietet möglicherweise Chancen für mehr Umsatz und Synergien.
Die kartellrechtliche Situation muss bei solchen Vereinbarungen ständig überprüft werden. Die Marge wird zwischen den Partnern geteilt, was das Budget für Vertrieb und Service stark reduziert. Manche Gerätehersteller sind es gewohnt, ihre Produkte in großen Stückzahlen über viele Vertriebskanäle in einem Land zu verkaufen. Dies erfordert viel Überzeugungsarbeit in Ihrem Vertrieb, wenn Ihre Verkäufer nicht daran gewöhnt sind.
In einer solchen Wettbewerbssituation mit dem Partner (von manchen Autoren als „Coopetition“ bezeichnet) sollte man sich von Anfang an Gedanken über Mehrwerte für die eigenen Kunden machen. Dies können z.B. die firmenspezifische Bedienoberfläche für das Gerät oder die Maschine, die Integration in die übergeordnete Anlagensteuerung oder in das Shopfloor-Management-System sowie ein eigener Premium-Service sein. Allerdings müssen die eigenen Kunden auch bereit sein, diesen Mehrwert zu kaufen und zu bezahlen.
Viele Produktmanager und Vertriebsverantwortliche glauben, dass der eigene Service besser ist als der anderer Anbieter. Hier entstehen schnell teure Träume, die gerade in Zeiten des Fachkräftemangels nicht erfüllt werden können. Zudem müssen die Kosten in das Angebot einkalkuliert werden, was dann im Wettbewerb mit anderen Anbietern oft das Absatzpotenzial schmälert. Nur wenn der eigene Service kostengünstiger ist als der der Wettbewerber (z.B. durch niedrigere Tariflöhne oder eine höhere Dichte an Servicetechnikern und damit kürzere Anfahrtszeiten), sollte ein eigener Reparaturservice in Erwägung gezogen werden.
5. Vertrieb von ergänzenden Produkten bzw. Dienstleistungen
Bietet Ihr Unternehmen auch die Materialien sowie die erforderlichen Hilfs- und Betriebsstoffe für Ihre Kunden und seine Produktionsprozesse an? Glauben Sie, dass sich das nicht lohnt? Haben Sie bereits über Verträge nachgedacht, die mit Ihrem Maschinenverkauf gekoppelt sind und dem Hersteller der Materialien deutliche Vorteile bringen würde? Ließen sich Daten von Ihren Maschinen in Prozessen eines potentiellen Partners dafür nutzen? Beispiel: In Offsetdruckeien werden Plattenbelichter mit Plattenverträgen verkauft, d.h. wer x Jahre die unbelichteten Druckplatten von einem Plattenhersteller per Vertrag abnimmt, bekommt einen Plattenbelichter zu einem sehr günstigen Preis dazu.
Haben Sie schon über neue Finanzierungslösungen bzw. alternative Geschäftsmodelle für die Maschinennutzung nachgedacht? Kennen Sie Pay-per-Use und die zugehörigen Konzepte? Unternehmen, die den Maschinenkauf finanzieren, benötigen dabei Zugriff auf die Maschinendaten, um damit die Nutzung zu finanzieren. Diese neue und zusätzliche Möglichkeit der Finanzierung bietet den Vorteil, Risiken durch einen größeren Maschinenkauf zu reduzieren. Dies gilt besonders, wenn die eigene Bilanzierung keine teuren Anschaffungen bzw. zusätzliches Betriebsvermögen erlaubt.
Welche Chancen für Daten und Prozesse gibt es, wenn Ihr Unternehmen mit den Softwareherstellern der Branche kooperiert? Wie können Auftrags- und Rückmeldedaten ausgetauscht bzw. gemeinsam genutzt werden? Könnten Sie mehr über die Aufträge Ihrer Kunden durch Datenaustausch erfahren (natürlich anonymisiert und dem Datenschutz folgend)?
Fazit
Dieser Artikel enthält viele Tipps und Anregungen für Kooperationen im Maschinenbau. Hoffentlich können Sie Ihre Ideen damit ergänzen. Suchen Sie sich Mitarbeiter oder Berater, die Ihre Vorschläge mit Ihnen diskutieren, optimieren und umsetzen. Nur weil es an manchen Stellen noch Unbekanntes oder Risiken gibt, sollten Sie als Unternehmer nicht gleich aufgeben. Im Team und auch in der neuen Partnerschaft lassen sich oft noch Lösungen finden.
Habe ich Ihr Interesse geweckt? Möchten Sie Ihre Ideen diskutieren? Sehen Sie Potenziale in einer Vorstudie oder benötigen Sie Unterstützung in einer laufenden Kooperation? Suchen Sie einen international erfahrenen oder neutralen Moderator für ihrer Kooperation, der sich um die Governance kümmert und ggf. das Vertrauen wieder aufbauen soll? Kontaktieren Sie mich und lassen Sie uns unverbindlich und kostenlos über mögliche Maßnahmen und Chancen für Ihr Unternehmen sprechen. Jedes Unternehmen hat eine andere Ausgangssituation und so muss das Vorgehen an die jeweilige Situation angepasst werden.
RatzConsult ist eine unabhängige Unternehmensberatung, die sich auf B2B-Partnerschaften und die Planung und Umsetzung der Digitalstrategie im Vertrieb und Service des Maschinenbaus fokussiert. Spezialgebiete der Digitalisierung sind die KI-gestützte Kommunikation (inkl. maschineller Transkription und Übersetzung), das Wissensmanagement sowie die Nutzung von Maschinendaten (IoT).
Seit über 30 Jahren bin ich im Maschinenbau tätig, davon einen Großteil im Service- und Produktmanagement. Dabei organisierte ich den erfolgreichen Aufbau einer globalen Vertriebs- und Servicepartnerschaft mit einem japanischen Unternehmen. Innerhalb von 5 Jahren wurde ein weltweiter Umsatz von 55 Mio. € erzielt. Hands-on-Mentalität, gutes Prozessverständnis und Kreativität zeichnen seinen Arbeitsstil aus.
Ich bin überzeugt, dass Kooperationen im Maschinenbau dazu beitragen können, den Fachkräftemangel bei Herstellern und Kunden zu reduzieren. Gemeinsame Standards für die Automatisierung der Logistik beim Kunden und die Zusammenarbeit bei der Suche und Ausbildung von Fachkräften sind zwei mögliche Handlungsfelder.
Kontaktieren Sie mich und lassen Sie uns unverbindlich und kostenlos Ihre Fragen zu diesem Thema per Video besprechen oder schauen Sie sich mein Angebot zur Beratung und Unterstützung von B2B-Kooperationen im Maschinenbau an.
Anhang - Literaturreferenz
Theurl, Theresia & Kolloge, Konstantin, 2009. „Internationale Unternehmenskooperationen im deutschen Maschinenbau: Eine empirische Analyse„, Arbeitspapiere 81, University of Münster, Institute for Cooperatives.
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